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Drama

Interview Stefan Kurt

Interview: Philipp Portmann

Stefan Kurt: «Für mich totales Neuland»

SOLOTHURN Stefan Kurt gibt in JAGDZEIT einen Finanzchef, der von heute auf morgen einen neuen CEO vor die Nase gesetzt bekommt. Der Beginn eines gnadenlosen Machtkampfes. Im Interview spricht der Charakterdarsteller über Wandel in den Chefetagen, Mentalitätsunterschiede und Erfolgsdruck im Job.

Stefan Kurt, diese Rolle war sicherlich nicht einfach zu spielen. Wie schwer war es für Sie? Nein, es war in der Tat nicht einfach. Es war ein grosses Stück Arbeit. Regisseurin Sabine Boss hat mich für die Rolle angefragt, weil sie mich passend fand für den Film. Es hat mich auch von Beginn an sehr interessiert. Jemanden zu spielen, der bis ans Äusserste geht und schlussendlich sogar Suizid begeht, ist für einen Schauspieler schweres Material zum spielen. Diese Person legt auch eine unglaubliche Reise zurück, sowohl psychisch als auch physisch. Das reizte mich wirklich schon von Beginn an.

Kannten Sie die Ursprungsgeschichte, worauf der Film lose basiert? Nein, die kannte ich nicht. Es war für mich totales Neuland. Mein Vater arbeitete bei der Zürich Versicherung in Bern und trotz dem wusste ich nichts von der Geschichte. Er arbeitete sich vom Prokurist bis zum Vizedirektor hoch. Weil ich die Geschichte nicht kannte, fiel ich aus allen Wolken, als ich davon erfuhr. Ich lass das Material, welches ich von Sabine erhielt. Es erstaunte mich, dass solche Geschehnisse so häufig vorkommen. Es war ja nicht ein Einzelfall, sondern es betraf mehrere Leute, ebenso auch in Deutschland. Damals bekam ich jedoch wirklich nicht viel davon mit. Das Interesse bei mir war jedoch sehr hoch.

Ihr Charakter macht verglichen zum Charakter Ihres Co-Darstellers einen grösseren Wandel durch. Erst am Schluss gibt dieser ja zu, dass er zu viel Druck ausübte. Ja, das ist so. Allerdings ergäbe das Material über Ulrich Tukurs Figur bereits einen neuen Film. Diese Figur ist genauso vielschichtig wie meine. Gerade wenn es darum geht, was alles dahinter steckt. Man musste sich jedoch auf eine Figur konzentrieren mit welcher man mitgehen konnte. Mit dem vermeintlichen Opfer findet der Zuschauer besser in den Film.

Überall steigt der Druck und je höher die Position, desto mehr Gegenwind. Wie sehen Sie das? Ja, überall und das nicht nur in den Chefetagen bei den Konzernen. Ich spüre es auch bei mir selbst. Natürlich bin ich ebenfalls ein Perfektionist. Ich spüre es beim Theater und auch sonst überall. Wenn man sich die Sozialen Medien, wie Facebook anschaut, dann sieht man überall nur noch die guten Momente. Die Schlechten lässt man einfach weg. Ich habe manchmal das Gefühl, man will sich heutzutage keine Fehler mehr erlauben, wenn sie trotzdem geschehen, lässt man sie sofort verschwinden. Sodass nur noch die saubere Oberfläche zusehen ist. Fehler passen einfach irgendwie nicht in die heutige Zeit. Ich merke, dass dies anders ist, als noch vor 20 Jahren.

Wie sehen Ihrer Meinung nach die grössten Veränderungen aus? Eine gewisse Angst vor Fehlern, nicht zu genügend, nicht wissen was man macht oder die Unmöglichkeit Fehler eingestehen zu können, sind sehr präsent. Gerade bei Politikern ist das Eingestehen von Fehlern sehr schwer. Klar, der Druck der Menschen rundherum ist natürlich ebenfalls sehr stark. Menschen wollen Antworten und wenn jemand hin steht und sagt, es ist zu kompliziert für eine einfache Antwort oder ich habe keine passende Antwort. Dann ist diese Person weg vom Fenster. Menschen wollen schlicht die einfachen Antworten.

Und das möglichst innerhalb der kürzesten Zeit oder? Ja, genau möglichst sofort und plötzlich. Es muss einfach sein und darf nicht zu komplex sein. Eine klare Richtung, damit man weiss, woran man ist. Wenn dies nicht der Fall ist, dann ist es in der Tat sehr schwierig.

Sie spielen nicht nur in der Schweiz und kennen daher die Deutsche Kultur ebenfalls. Gab es dennoch zwischen Ihnen und Ulrich Tukur Vorbereitungen oder ähnliches? Wir hatten ein Coaching, welches mir sehr geholfen hat. Dies war wirklich toll. Wir hatten über drei bis vier Tage dieses Coaching mit Giles Foreman, welcher ein englischsprachiger Coach ist. Diese Vorbereitung war super, ebenfalls für das ganze Team. Es waren alle zusammen und konnten miteinander arbeiten. Das tat ebenfalls gut. Einer der grossen Punkte war die Sprache, doch da musste ich nicht viel dafür machen. Man kann es in etwa mit der Zeit vergleichen, als ich als Schweizer Schauspieler nach Deutschland kam. Man kommt in einen fremden Kulturkreis und obwohl man als Schweizer diesen kennt, ist die Mentalität komplett anders.

Was unterscheidet Ihre Mentalität zu unserer am meisten? Wenn man auf hochdeutsch spricht, denkt und träumt, ist das ein komplett anderer Tonus, als wenn es in Mundart ist. Da fühlen sich die Schweizer, manchmal sogar zu Recht, auf den Schlips getreten, weil bei den Deutschen einfach alles viel schneller abläuft. Da geht alles so schnell, die sind fix im Kopf. Und wir Schweizer sind manchmal etwas langsamer und kommen nicht ganz hinterher. Deswegen fühlen wir uns oft auch in die zweite Reihe versetzt. Das half beim Film sogar, denn Brockmann kommt tatsächlich sehr offensiv in die Szenen herein.

Sie fanden dementsprechend eine gute Chemie mit Ulrich Tukur? Ja, doch. Wenn wir zusammenspielen, dann sprechen wir beide Deutsch. Das geschieht oftmals in diesen Kreisen. Mein Charakter hat ja auch in London und in Paris studiert, daher hätte das Ganze auf Französisch oder Englisch geschehen können. Das wäre sicherlich kein Problem gewesen, jedoch hilft es, dass es Deutsch war. Uli und ich kennen uns von früher aus den Hamburger Zeiten in den 80er Jahren. Das heisst persönlich kannten wir uns schon länger. Deshalb passte die Chemie sicherlich gut.

Was sollen die Menschen Ihrer Meinung nach aus dem Film mitnehmen? Das kann ich so direkt gar nicht beantworten. Ich weiss, dass wenn ich ihn schaue, dann nimmt mich der Charakter von Alexander Maier langsam aber stetig ein. Er berührt mich. Am liebsten würde ich ihm sagen, dass er aufhören und die Augen öffnen soll. Man merkt wie der Fokus und das Sichtfeld immer kleiner und enger werden. Man möchte wie in einem Alptraum ihm zurufen, dass er aufwachen und aufhören soll. Er soll sein Leben ändern und wieder auf die Reihe bekommen, durch neue Hobbys wie Wandern oder dem Versuch seine Ehe zu retten. Schlussendlich zieht es mich selbst in diesen Wahn hinein bis es dann im Film zum Suizid kommt. Das fasziniert mich und schaue ich mir deshalb auch „gerne“ an. Naja, eher mit einem gruseln, weil man weiss auf welche tragische Weise ein Leben immer kleiner werden kann. Bis nichts mehr da ist.

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