Die Nachbarn von oben

Jetzt im Heimkino

hot
Comedy

Interview Sabine Boss

Interview: Philipp Portmann

Sabine Boss: «Es ist nie zu spät für eine Veränderung»

Die preisgekrönte Regisseurin Sabine Boss befasst sich in Ihrem neusten Werk DIE NACHBARN VON OBEN mit vier Bewohnern eines Mehrfamilienhaues mit ganz unterschiedlichen Beziehungsbedürfnissen. Im Interview spricht die Aargauer Pfarrerstochter über Liebe, Last und Lust.

Sabine Boss, hatten Sie auch schon mal Nachbarn, die zu laut waren? Ja, ich kenne das aus meiner WG-Zeit oder aus ringhörigen Hotels: da hört man oft mehr aus den Nebenzimmern, als man hören möchte. Und somit sind wir bereits beim Kern des Problems: Wie spricht man das an? Ich kann doch nicht jemandem, den ich eigentlich gar nicht so gut kenne, sagen, du bist zu laut beim Sex? Das war unter anderem die Ausgangslage für diesen Film.

Es handelt sich um ein Remake einer spanischen Produktion von 2020. Ist das Thema so universell, dass das auch bei uns in der Schweiz funktioniert oder mussten Sie viel anpassen? Ich glaube, dass eine solche Geschichte überall funktioniert, man muss sie allerdings schon an die jeweilige Kultur anpassen. Wir haben viel verändert und unseren eigenen Film daraus gemacht. Wir haben die Figuren nach Mitteleuropa gelegt.

Sind wir nicht viel verklemmter als die Spanier? (Lacht) Ja, aber dafür sind die Spanier viel katholischer als wir. Dort wird nicht offen über Sexualität gesprochen, weil das die Kirche nicht erlaubt. Also macht man es dort heimlich. Wir Schweizer hingegen geben uns offen und liberal, ausser es geht um einen selber. Da kommen dann die Hemmungen ins Spiel, wie das schon Mani Matter wunderbar treffend besungen hat.

Im Zentrum stehen zwei Paare, die den ganzen Film tragen. Wie fanden Sie die richtigen vier Darsteller? Wir durchliefen natürlich einen Casting-Prozess. Ich muss aber sagen, dass Sarah Spale, Ursina Lardi, Max Simonischek und Roeland Wiesnekker von Anfang an meine Traumbesetzung waren. Die ersten Proben haben mir dann mein Gefühl bestätigt. Es sind vier grosse Schauspieler:innen , bei denen ich als Regisseurin einfach nur ernten kann.

In dieser Geschichte gibt es ganz viele witzige, aber auch einige ernsthafte Momente. Wie schaffen Sie es, die richtige Balance zu finden? Das hat ganz viel mit Instinkt zu tun. Ich treffe viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Als mir der Verleiher und Produzent Ascot Elite das Original zeigte, ging es mir wie damals mit DER GOALIE BIN IG: Ich musste lachen und weinen. Und das ist genau das, was mich als Regisseurin interessiert, nämlich warmherzige, feine und sich nicht allzu ernstnehmende Filme zu machen. Filme, die viel über das Menschsein, unsere Unfähigkeiten oder Überforderungen im Leben aussagen. Das sind die Themen, die mich interessieren. Ich denke, es ist meine Kernbegabung, in solche Stoffe mein ganzes Herz und meine Gefühle hineinzugeben.

Was soll das Publikum aus dem Film mitnehmen? Schön wäre, es kommt aus dem Kino, in dem es sich 90 Minuten lang amüsierte, sich aber auch berühren liess. Im besten Fall öffnet man sich danach eine Flasche Wein und diskutiert mit seiner Partnerin oder seinem Partner über die Beziehung, was man vermisst oder was einem fehlt. Ich hoffe, dieser Film lässt einem auf heitere Art und Weise über das eigene Leben nachdenken und vermittelt die Botschaft: Es ist nie zu spät für eine Veränderung.

© 2023 kinowetter

Aktuelle Streaming Angebote für diesen Titel:

Powered by JustWatch