Der Grosse Trip - Wild

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Biographical

Interview Cheryl Strayed, Reese Witherspoon

Interview: Marc Bernard

Witherspoon: «Man kann auch sich selbst vergeben»

Im Drama "Wild" schlüpft Oscarpreisträgerin Reese Witherspoon in die Rolle von Cheryl Strayed, die 1995 ganze 2.000 Kilometer von Kalifornien bis in den Norden von Oregon wandert. Kinowetter traf sie beide zum Interview und brachte so einiges in Erfahrung.

Cheryl, haben Sie jemals damit gerechnet, eines Tages einen Film zu vermarkten, der auf ihrer Geschichte basiert? Cheryl Strayed: Es ist surreal. Ich habe das nie auch nur für eine Sekunde gedacht. Nie im Leben hätte ich erwartet, dass mich meine Reise hierhin führt. Aber ich bin sehr dankbar dafür.

Wie haben Sie sich dazu gebracht, ihre Gedanken während der Reise auszublenden? Cheryl Strayed: Dazu war ich gar nicht in der Lage. Das ist aber auch das Schöne daran. 94 Tage alleine zu wandern und die Geduld aufzubringen, jeden Tag dasselbe zu tun, was sehr herausfordernd war, haben meine Gedanken in viele verschiedene Richtungen gelenkt. Ich habe an alles gedacht, was mir sinnvoll erschien. Allerdings auch an Dinge, die ich eigentlich ausblenden wollte. Es gab Phasen, da habe ich mich an meinen Vater oder meine Mutter erinnert und auch an Dinge, die mir passiert sind. Dies hatte aber eine heilsame Wirkung auf mich. Ich war dadurch imstande, mich mit meinen eigenen Gedanken zu beschäftigen. Und das tun wir nicht sehr oft.

Welche Lektionen haben Sie gelernt? Cheryl Strayed: Viele. Es ist unmöglich, sie zusammenzufassen. Die tiefer greifenden Dinge, die ich gelernt habe, waren die simplen Sachen. Den Glauben an die „Schritt für Schritt“-Theorie zu behalten, denn auf diese Weise bewegen wir uns vorwärts. Die Wildnis unterstützt uns dabei, uns durch die körperlichen Anforderungen mit uns selbst auf psychologischer Ebene auseinanderzusetzen. Nicht, um zu überleben. Aber um weiterzukommen. Die Wildnis ist ein Schmerzen zufügender Ort, dort liegen wir in den Händen einer Barmherzigkeit, die uns alle übersteigt. Wir glauben, wir können das Leben in unserem Umfeld kontrollieren und dass wir sehr viel mehr Kraft besitzen, als es wirklich der Fall ist. Die Wildnis lehrt uns Aufgaben und das Schöne im Leben. Egal wo wir uns befinden, wir sind von Schönheit umgeben. Und das finden wir auch, vorausgesetzt wir suchen danach. Und in der Wildnis braucht man sich mit der Suche keine Mühen zu machen, man hat es direkt vor Augen.

Reese, mussten Sie auch schon, so wie Cheryl, innere Dämonen bekämpfen? Reese Witherspoon: Natürlich. Jeder hat seine eigenen Erfahrungen und Schwierigkeiten im Leben. Damit habe ich mich sehr verbunden gefühlt. Manche Menschen wissen gar nicht, ob sie dazu in der Lage sind, mit ihren Problemen umzugehen. Das passierte mir schon oft in meinem Leben. Ich bin schliesslich eine 38-jährige Frau und habe schon viel gelebt. (lacht) Ich habe sofort erkannt, dass das Buch besonders für jene Leute wichtig ist, die noch verstehen müssen, dass man auch sich selbst vergeben kann. Auch für die getane Dinge, die unverzeihlich erscheinen. Und ich hoffe, ich kann diese Botschaft durch den Film tragen.

Was haben Sie beide beim Drehen des Films über sich selbst erfahren? Chery Strayed: Es gab so viele Dinge beim Zusehen von Reese, wie sie einige meiner unglücklichen Momente der Reise porträtiert hat. Es war witzig. Sie spielte in manchen Szenen mich, wie ich aus der Puste kam. Und ich dachte innerlich, dass es bei mir ganz genau so war. In solchen Augenblicken habe ich mich immer selbst verflucht, dass ich mich für diesen Trip entschieden habe, der mich sechs Fussnägel gekostet hat. Es war schön, beim Dreh vor Ort zu sein. Dadurch war es mir möglich, alles von nahem und Reese dabei zuzusehen, wie sie mich als 26-Jährige verkörpert. Ich fand es am Ende des Tages schön, dass ich alles als witzig empfand. Es gibt eine Art „Unter den Teppich gekehrten“-Humor, der sich durch den ganzen Film zieht. Der Film ist sehr ernst, es ist eine emotionale Reise. Aber ich hoffe, dass die Menschen auch erkennen, wie witzig letztlich alles ist.

Und Sie, Reese? Reese Witherspoon: Nun, diese Geschichte zu erzählen, war eine der grössten Erfahrungen in meinem Leben, weil ich mich selbst aus der Zone der Bequemlichkeit drängen musste. Ich wurde sehr von Cheryls Buch ermutigt, welches mich stark inspirierte. Ich habe sehr viel Respekt für Menschen, die sich in eine Lage bringen, in der sie sich eigentlich gar nicht wohl fühlen. Ich bewundere jeden, der sich einer solchen Aufgabe stellt. Es ist nämlich sehr einfach, zu Hause rumzusitzen und gar nichts zu machen. Aber Künstler, Athlet oder jemand zu sein, der sich in ungemütliche Situationen bringt und nicht weiss, ob es ihm dabei gut ergehen wird, erfordert mehr. Darüber habe ich eine Menge gelernt.

Ist "Wild" ein Frauenfilm? Cheryl Strayed: Ein Film für Frauen und Menschen im Allgemeinen. Die ganzen Diskussionen, wie toll es doch sei, dass Reese und Bruna Papandrea mit ihrer Produktionsfirma starke Rollen für Frauen kreieren und sie auf die Leinwand bringen, sind natürlich schön. Aber wir argumentieren nicht damit, Rollen für Frauen zu schaffen. Wir machen Filme für Menschen, in denen Frauen in all ihrer Komplexität und Menschlichkeit in Erscheinung treten. Wir sind begeistert, dass Frauen einen Film über Frauen sehen wollen. Aber was wir tatsächlich wollen, ist, dass ihn die Menschen im Allgemeinen sehen.

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