Marie Curie

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Drama

Interview Marie Noëlle

Interview: Nicole Odermatt

Marie Noëlle: «An Marie Curie fasziniert mich die Freiheit ihres Geistes»

ZÜRICH. Die Französin Marie Noëlle studierte Mathematik und schloss einen “Master of Business“ ab. Heute behauptet sie sich erfolgreich als Regisseurin, in einer Arbeitswelt die von Männern domminiert wird. Ihr neustes Werk handelt ebenso von einer starken Frau, der Nobelpreisträgerin Marie Curie. Im Interview mit Kinowetter sprach die Regisseurin über die Ikone, Gleichberechtigung und die moderne Frauen.

Marie Noëlle, was macht für Sie Marie Curie aus? An Marie Curie fasziniert mich am meisten die Freiheit ihres Geistes. Sie hat sich auf eine ganz natürliche Art und Weise über Korruptionen hinweg gesetzt, ohne je rebellisch zu sein. Diese Haltung ist einfach wunderbar und auch heute noch sehr modern. In der jetzigen Zeit haben wir natürlich viel mehr Freiheit als damals, doch leider nützen wir dieses Privileg oft nicht aus und würdigen es nicht genügend.

Wie sehen Sie das Bild der modernen Frau in der heutigen Zeit generell? Persönlich hatte ich nie den Eindruck, dass es ein Problem ist, eine Frau zu sein und dachte, es wäre möglich überall hin zukommen. Dass man als Frau gleichberechtigt ist. Doch im Detail betrachtet, ist es eben dann doch nicht ganz so. Zwar wurden in Deutschland gerade die Löhne angepasst. Doch grundsätzlich ist es noch heute so, dass in vielen Ländern Frauen weniger bezahlt wird als Männern. Das ist nicht in Ordnung.

Was daran stört Sie am meisten? Frauen werden in dieser Hinsicht von der Gesellschaft eingelullt. Wir haben nicht das Gefühl, dass ein Unterschied besteht und wir darauf achten sollten genauso behandelt zu werden wie Männer. Ohne dafür ständig im Konflikt zu stehen. Denn wenn ich als Frau für meine Rechte kämpfe, denkt die Aussenwelt sofort ich sei aggressiv gegenüber Männern, obwohl dem nicht so ist. Es gibt Männer und es gibt Frauen. Und das ist auch gut. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der es keine Männer gibt, weiss Gott nicht. Wir sollten einfach einen würdigen Weg durch unser Leben finden, mit der Freiheit von Marie Curies Geistes.

Auch das Filmbusiness, insbesondere der Regiebereich, ist heute noch eine männerdominierte Branche. Denken Sie, es wird hier in den nächsten Jahren eine Veränderung stattfinden? Man kann nur daran arbeiten, weshalb ich mich selbst als Mitglied von Pro Quote Regie engagiere. Vor drei Jahren liessen wir eine Studie durchführen, die ein erschreckendes Ergebnis zeigte; Die Zahlen sind noch viel verehrender als angenommen. Grundsätzlich studieren etwa gleichviele Frauen wie Männer Film. Doch danach verschwindet der grösste Teil der Frauen spurlos. Bei gewissen Sender dürfen sogar weniger als 1 Prozent Frauen Regie führen. Ich bin nicht prinzipiell für Quoten, aber in diesem Fall brauchen wir sie um eine Veränderung zu bewirken und zu verdeutlichen, dass auch Frauen durchaus gute Thriller inszenieren können. Auch ich würde liebend gerne einmal eine Autojagd oder einen Western drehen.

Kann diese Ungerechtigkeit auch ein Ansporn sein? Als ich mich auf die Suche nach der Frau hinter der Ikone der Wissenschaft begeben habe, traf ich auf eine grossartige Frau, die absolut ein fantastisches Vorbild darstellt. Ja, wir Frauen sind kraftvoll und brauchen diese Tatsache überhaupt nicht zur Seite zu stellen. Ich hoffe sehr, dass dieser Gedanke auch eine Inspiration für jüngere Frauen ist.

Denken Sie, es war Marie Curie wichtig etwas ihrer Nachwelt zu hinterlassen? Marie Curie war der festen Meinung, dass jemand, der ein Talent besitzt dazu verpflichtet ist, etwas daraus zu machen. Das war ihr unglaublich wichtig. Sie selbst war wissenschaftlich ausserordentlich begabt, weshalb sie mit ihrem Talent der Menschheit helfen musste. Sie standen stets in Kontakt mit Mediziner und haben früh versucht, alle ihre Entdeckungen in Konkrete Dinge umzusetzen. Dinge, die nicht nur in der theoretischen Forschung ihren Wert haben, sondern auch einen direkten Einfluss auf das Leben eines jeden Menschens nehmen. Diese Einstellung ist grossartig.

Möchten Sie mit Ihrer Arbeit auch einen solchen Einfluss nehmen können? Als Filmmacherin kann ich den Zuschauern höchstens etwas Spass spenden, eine Unterhaltung für einige Stunden. Was allerdings sicher auch seinen Wert hat. Es ist sehr schwierig einzuschätzen, ob etwas überdauern wird oder nicht. In der Literatur zum Beispiel, gibt es heute sehr berühmte Werke, deren Autoren jedoch zu Lebzeiten an Erfolgslosigkeit und Armut fast umkamen. Vermutlich ist es nicht besonders schlau, sich um solche Sachen Gedanken zu machen. Heute ist man viel zu sehr mit dem Berühmt sein beschäftigt, obwohl dies äusserst flüchtig ist und in meinen Augen keinen wirklichen Wert im Leben auszeichnet.

Während Ihrer Recherchen für das Biopic sind Sie auf viele interessante Persönlichkeiten gestossen. Gab es eine Begegnung die Sie besonders in Erinnerung behalten werden? Die Begegnung mit Hélène Joliot Curie, Maries Enkelin, war ein tolles Erlebnis und es war mir eine grosse Ehre sie treffen zu dürfen. Immerhin war es auch nicht ganz einfach. Zuerst musste ich mich vor den ganzen Menschen des Curie Museums und der Stiftung behaupten und traf weiter verschiedene Leute, bevor ich mich dann schliesslich an Hélène Joliot Curie wenden durfte. Das geplante Interview war eigentlich für eine Stunde gedacht, schlussendlich blieb ich aber den ganzen Nachmittag. Sie ist schlicht eine beeindruckende Frau. Hélène sieht Marie Curie durchaus ähnlich und ist eine sehr bestimmende Persönlichkeit. Trotz ihrem Alter ist sie extrem klar im Kopf und äusserst Feminin. Zu unserem Treffen erschien sie zwar recht burschikos Angezogen, trug jedoch dennoch eine schöne Kette. Diese Feminine Note hätte sicher auch Marie Curie im Alter ausgemacht.

Gibt es auch heute eine Frau, die Sie besonders beindruckt? Es gibt in der heutigen Zeit viele Frauen die mich beeindrucken. Wie Emmanuelle Charpentier, eine junge Wissenschaftlerin in den Vierzigern. Sie leitet das Max-Planck-Institut und wurde vor kurzem mit einem irrsinnigen Preis für die Innovation ihrer Forschung ausgezeichnet. Charpentier hat bestimmt das Potenzial eine neue Marie Curie zu werden. Sie selbst hatte gar Marie als Vorbild während ihrer Kindheit. Generell gab es in jedem Saal während meiner Kinotour mindestens zwei Frauen, die durch Marie Curie's Biografie inspiriert wurden und durch sie einen Weg in die Wissenschaft gefunden haben. Man sollte die Rolle eines Vorbild zur Jugendzeit niemals unterschätzen.

Marie Curie's Geschichte haben Sie nun erzählt. Gibt es noch eine andere Persönlichkeit, die Sie gerne auf die Kinoleinwand bringen würden? Ich möchte keine Spezialistin von Biopics werden. Dass ich ein Film über Marie Curie mache, hat mich selbst erstaunt. Sie war stets so stark mit meinem eigenen Leben verstrickt, dass es mir seltsam vorkam einen Film über meine "Grossmutter" zu machen. Doch es gibt noch viele Themen die mir anderweitig im Kopf herum schwirren. Ich liebe es in Bildern zu erzählen und hoffe daher noch weitere Filme machen zu dürfen. Nicht zwingend mit einer bekannten, existierenden Frau sondern auch mit rein Fantasiemenschen.

© kinowetter.ch

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