Molly's Game

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Interview Aaron Sorkin

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Aaron Sorkin: «Ich leide permanent unter Schreibblockaden»

ZÜRICH Mit «Molly's Game» liefert der Oscar prämierte Drehbuchautor Aaron Sorkin sein Regiedebüt. Gegenüber kinowetter verrät der Filmemacher, was ihm am Regie führen besser gefällt und wozu er jungen Schreiberlingen raten würde.

Aaron, aufgrund von kreativen Differenzen weigert sich Molly Bloom im Film die Verfilmungsrechte an ihrem Buch zu lizenzieren. Gab es zwischen ihr und Ihnen auch Differenzen? Ganz im Gegenteil, sie war äusserst zuvorkommend. Das war auch der Grund, weswegen der Film überhaupt erst entstehen konnte. Ich kannte und liebte ihr Buch. Als es mir dann mit der Verfilmung zunehmend ernst wurde, habe ich mich mit ihr getroffen. Sobald wir eine vertrauensvolle Beziehung zueinander aufbauen konnten, erzählte sie mir im Buch nie genannte Geschichten. So war es mir möglich, ihr wahres Wesen kennenzulernen. Ich sah immer mehr eine aussergewöhnliche und einzigartige Filmheldin in ihr. Daher wollte ich unbedingt diesen Film über sie machen.

Also war sie in Ihrer Gegenwart nicht so provokant, wie sie es beispielsweise in jener ihres Vaters war? Sowohl ihr Vater als auch sie konnten diese provokanten Momente genau schildern. In dieser Hinsicht waren beide sehr zuvorkommend. Es war eine komplexe Beziehung, aber ich kann heute mit Freude sagen, dass sie sich inzwischen wieder sehr nahe stehen. Doch eigentlich geht es mich gar nichts an.

Im Film sagt Molly, dass sie nie wirklich wusste, wieso sie so provokant sein konnte. Erinnern Sie sich an ein ähnliches Szenario, in der ein einfaches Gespräch über Ihren Film unweigerlich zu Provokationen führte? Ich kann mich an keinen einzigen Moment erinnern, an dem das so gewesen sein könnte. Egal, ob nun mit Jessica Chastain, dem Studio oder den Produzenten. Alle, die involviert waren, haben sich trotz hartem Zeitplan über ihre Beteiligung gefreut. Der war nämlich extrem eng, wir mussten innerhalb weniger Tagen eine Menge drehen können.

«Molly's Game» ist Ihr Regiedebüt. Viele Drehbuchautoren haben eine Schreibblockade. Gibt es auch eine Art Regieblockade, während der Sie einfach nicht wissen, wie Sie die Szenen funktionierend umsetzen können? Zunächst einmal muss gesagt sein, dass ich als Drehbuchautor permanent unter Schreibblockaden leide. Das ist keine Ausnahme. Die Ausnahme ist, wenn ich mal tatsächlich in der Lage bin, etwas auf Papier zu bringen. Oft befinde ich mich in meinem Büro oder sitze zu Hause herum, höre beim Fahren Musik und verbringe auf diese Weise ganze Tage ohne getippten Worte. Mit Schreibblockaden bin ich daher bestens vertraut. Das Schöne am Regie führen, so hart es auch sein mag, ist, dass man am Ende des Tages auch wirklich etwas gearbeitet hat. Als Schreiberling kann ich das nicht gerade behaupten.

Was würden Sie denn jungen Drehbuchautoren raten, die in das Filmbusiness einsteigen wollen? Als erstes müssen sie für sich herausfinden, welches Ziel sie verfolgen. Meine Absicht war es nie, mein Regiedebüt am Zurich Film Festival vorzustellen. Ich wollte einfach nur ein professioneller Schreiberling sein, der seine Rechnungen bezahlen konnte. Ich wäre auch in einer Einzimmerwohnung glücklich geworden, solange ich mit dem Schreiben für den Festnetzanschluss, den Strom und die Miete aufkommen konnte. Alles andere, wie eben das Zurich Film Festival, waren erfreuliche Überraschungen.

Da Sie alle Drehbuchregeln kennen: Sind Sie noch dazu in der Lage, Filme auf dieselbe Art und Weise zu geniessen, bevor Sie alles über die Akte und weitere Regeln wussten, oder sehen Sie mittlerweile immer die Arbeit, die hinter einem Projekt steckt? Ich bin ein grossartiges Publikumsmitglied. Man könnte mir denselben Trick 50 Mal vorführen und ich wäre immer noch völlig aus dem Häuschen. Allerdings studiere ich das, was ich sehe. Das zu tun, würde ich auch jedem jungen Filmemacher empfehlen. Geniesst einen Film zwei, drei, vier oder von mir aus sogar fünf Mal. Aber werdet irgendwann zu einem Diagnostiker. Wenn euch ein Film nicht gefällt, dann dreht ihm nicht einfach den Rücken zu, indem ihr sagt, dass der Film für die Tonne ist. Versucht stattdessen herauszufinden, was schief lief. Sie haben vorhin die Regeln erwähnt. Die gibt es und wurden vor rund 2000 Jahren im kurzen Buch Poetics von Aristotle festgelegt. Die Regeln sind sogar älter als das Christentum. Einem jungen Drehbuchautor tut es sicher gut, diese Regeln zu lernen. Doch auch wenn ein Film gefällt, sollte man herausfinden, wieso das so ist. Warum funktioniert der Trick?

Viele Schreiberlinge schreiben grossartige Dialoge, vergessen aber Handlung und Tempo. Wie schwierig finden Sie es, die Balance zu halten? Das ist sehr herausfordernd. Mit dem Schreiben eine Geschichte zu erzählen, kann einen ordentlich ins Schwitzen bringen. Egal, ob man nun für einen Kinofilm, ein Theaterstück oder eine Episode auf die Tasten haut, die am Fernsehen ausgestrahlt wird. Es ist sehr viel härter als es den Anschein macht. Wie Sie bereits erwähnten, muss man beim Schreiben eine Menge Dinge beachten. Genau deshalb sollte man sich auch mit den Regeln genauer auseinandersetzen. Bei Kunst, ob man nun Violine spielt, malt, tanzt oder eben ein Drehbuch schreibt, gibt es Dinge, die man lernen kann. Dann gibt es da aber noch die Dinge, mit denen man geboren wurde. Man könnte mir beispielsweise noch so viele Cello-Stunden geben. Ich würde niemals auch nur im geringsten an einen Yo-Yo Ma herankommen. Man muss das, was man über die Regeln lernt, mit dem kombinieren, was einem auszeichnet. Was ist das Besondere an einem selbst?

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