Glaubenberg

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Drama

Von: Philipp Portmann

Liebe, Lust und Leid

Filmemacher Thomas Imbach greift in seinem neusten Drama GLAUBENBERG ein Tabu-Thema auf und erzählt von einer obsessiven Geschwisterliebe.

Die 16-jährige Lena will sich am Flughafen von ihrem älteren Bruder Noah verabschieden, der für ein Archäologie-Praktikum nach Izmir fliegt, und verspätet sich. Das schmerzt. Gerne hätte sie ihn ein letztes Mal fest an sich gedrückt. Was einem schon in den ersten Minuten von Thomas Imbach‘s Film GLAUBENBERG klar wird: Lena schwärmt nicht nur für ihren grossen Bruder, nein, sie ist heillos in ihn verliebt. Jetzt wartet sie sehnlichst auf Nachrichten ihres Bruders - vergebens. Denn diesem kommt die räumliche Trennung von seiner Schwester gerade recht.

Längst bemerkte er, dass sie mit ihrer Geschwisterliebe eine Grenze überschreitet. Nur wollte er nie mit ihr darüber sprechen – ein fataler Fehler. Lena steigert sich in Phantasien aus erotischen Tagträumen und krankhafter Eifersucht, was sich schnell mit der Realität vermischt. Hier verlangt Imbach einiges vom Publikum, weil sich die Träume optisch nicht von der Wirklichkeit unterscheiden. Ebenfalls anstrengend, dass er Lena fast immer in Nahaufnahme zeigt. Grandios dagegen wie der Regisseur Landschaft und Wetter mit der Gefühlslage seiner Hauptfigur zum Ausdruck bringt. Schon immer eine Stärke des Luzerners.

Biographisch inspiriert

Gespielt wird das Geschwisterpaar nicht etwa von Schauspielern sondern von der 1999 in Ungarn geborenen und in der Schweiz aufgewachsenen Studentin Zsofia Körös und dem vier Jahre älteren Zürcher Studenten Francis Meier, Sohn von Musiker Dieter Meier. Imbach hat nach eigenen Angaben einfach keine Profis gefunden, die in diesen für ihn sehr persönlichen Film passten.

Persönlich deshalb, weil er diese Geschichte als „Von meiner Biographie inspiriert, doch stark fiktionalisiert“ beschreibt. Aufgrund dieser wagen Aussage kann man nicht festlegen, was wahr und was erfunden ist. Klar ist aber, dass sich Imbach von „Byblis & Kaunos“ des römischen Dichters Ovid inspirieren liess, dessen Geschwisterliebe sich in nicht enden wollenden Tränen auflöste.

Antworten fehlen

Doch Imbach's Geschichte wird nie wirklich dramatisch oder etwa gefährlich. Selbst als Noah auf Besuch kommt und am Familientisch vor Freunden die ganze Situation offenbart wird, rastet keiner aus, im Gegenteil, es wird geschwiegen. Imbach bezieht keine Stellung und lässt einem mit Fragen zurück. Woher kommt diese Liebe? Wo endet Zuneigung und wo beginnt der Inzest? Und das wichtigste: Wie soll man damit umgehen, damit es nicht endet wie bei Ovid? Hier hätte er, gerade aufgrund seiner biographischen Erfahrungen, Antworten statt eine moderne Version von „Byblis & Kaunos“ geben können.

Da bewies Fredi Murer 1985 mehr Mut. In seinem Drama HÖHENFEUER war nachvollziehbar, warum es zur Geschwisterliebe kam: Die Eltern isolierten ihre beiden Kinder auf der Alp so sehr, dass ihnen nichts anderes blieb. Doch hier hat Lena alle Möglichkeiten: Sie ist intelligent, von Mitschülern begehrt und hat offene Eltern. Was also lief schief in Lena's Leben? Es bleibt Thomas Imbach's Geheimnis.

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