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Interview Sam Mendes

Interview: Ward Verrijcken

Sam Mendes: «Wäre es nicht für meinen Grossvater gewesen, hätte ich diesen Film niemals gemacht»

London. Gerade wurde sein Werk für 10 Oscars nominiert. In unserem Interview erzählt Regisseur Sam Mendes, was ihm das bedeutet und was sein Grossvater mit dem Film zu tun hat.

Ich vergoss viele Tränen, als ich den Film sah. Nicht weil er so rührselig ist, sondern weil die Handwerkkunst dermassen verblüffend ist.... Es tut mir leid, dass die Kunstfertigkeit Sie zum Weinen gebracht hat.

Keineswegs, es war einfach sehr berührend und vermutlich werden Sie dies oft gefragt, doch die Geschichte hat eine für Sie sehr persönliche Basis? Ja, es ist von den Geschichten meines Grossvaters inspiriert. Er erzählte mir als Kind, wie er selbst im ersten Weltkrieg gekämpft hat. Viele Jahre erzählte er nichts davon und aus irgendeinem Grund beschloss er plötzlich doch etwas zu erzählen. Vielleicht, weil endlich genügend Zeit vergangen ist oder seine Enkelkinder ihn oft genug löcherten und er daher begann darüber zu sprechen. So entstand meine Faszination mit dem Krieg. Der Film handelt allerdings nicht von meinem Grossvater, sondern ist lediglich von seinen Geschichten inspiriert. Bei den Charakteren handelt es sich um fiktive Kreationen. Gewisse Ereignisse durchlebte er zwar tatsächlich, jedoch ist die Geschichte einzigartig. Wäre es nicht für meinen Grossvater gewesen, hätte ich diesen Film niemals realisiert.

Wenn Sie sagen, Ihre Faszination entstand dadurch, wie muss man sich das vorstellen? Recherchierten Sie in Büchern oder waren Sie auch vor Ort? Ja, wir gingen nach Flanders, Belgien, Frankreich und Thiepval. Um für diesen Film zu recherchieren musste ich logischerweise fast dort hin. Natürlich wollte ich auch gehen.

Welchen persönlichen Eindruck hinterliessen diese Orte bei Ihnen, denn der Verlust von Menschenleben ist niederschmetternd... Mich berührte am meisten der Frieden dieses Ortes und die Würde, die die Gedenkmalstätte ausstrahlte. Es war eindrucksvoll anzusehen. Man stellt sich vor, man könne das Ausmass an Tod und Zerstörung, die in diesem winzigen Gebiet geschah, fast spüren. Vielleicht war es auch nur Einbildung. Mich beindruckt die Schönheit der Natur, die sich darum gebildet hat. Und die Tatsache, dass die Natur zurückkehrte und die Zerstörung an diesen Orten auslöschte.

Wann entschieden Sie sich den Film so zu drehen, als würde alles an einem Stück nacheinander ablaufen, wie bei einer einzigen Aufnahme? Ich entschied mich in dem Moment dafür, als ich mir sagte, dass der Film zwei Stunden dauern sollte. Und zwar in Real Zeit. Es soll das Gefühl der ablaufenden Zeit und der tickenden Uhr hervorrufen. Es war eine Möglichkeit, den Film nicht nur episch zu machen, also die langen Ortsdistanzen zu zeigen, sondern auch möglichst intim. Wir versuchten also so wenig Schichten wie nur möglich zwischen dem Publikum und den Schauspielern zu erzeugen. Es ist eine grosse Herausforderung und aufregend in der Umsetzung. Ich habe bereits beim letzten Bond-Film, SPECTRE, den Anfang mit einer einzelnen acht Minuten Aufnahme gemacht. Hier fühlte es sich richtig an die ganze Geschichte so zu erzählen.

Gab es Leute, die Ihnen sagte, Sie seien verrückt dies so zu machen? Nein, das hat mir niemand gesagt. Es wussten alle, dass es sehr schwer ist. Die Frage, die man stellen müsste, wäre warum. Wenn man diese Frage richtig beantwortet, dann kommen sie mit auf die Reise. Sobald ich also erklärte hatte, warum ich diesen Film so machen wollte, fanden sie, dass es gut klingt. Natürlich erklärte ich es etwas länger, als ich es bei Ihnen tat (schmunzelt). Die allgemeine Meinung war also, ja es ist machbar, einfach sehr schwer (lacht).

Mit dem künstlerisch begabten Roger Deakins muss es ja dann ein Traum von einer Zusammenarbeit gewesen sein, gerade auch bezüglich der technischen Aspekte... Er ist ein Meister und ich kann mich glücklich schätzen bereits mit zusammengearbeitet zu haben. Wir fanden den Draht zueinander sofort. Ich wusste, dass ich einen Meister seines Faches brauchen würde, um diesen Film zu drehen. Die Diskussionen, die wir hatten, drehten sich um die Beziehung zwischen der Kamera und dem Schauspieler. Sie sollte nicht wiederholden wirken und gleichzeitig mehrere Geschichten erzählen. Die der langen Distanzen, der Landschaft und die Sicht als Kronzeuge. Zugleich musste es intim bleiben und dem emotionalen Takt folgen. Diesen Teil des Films sollte es nicht verlieren. Die technischen Aspekte kamen später dazu. Wir hatten eine gemeinsame Regel. Wir stellten uns vor, dass die Kamera alles machen konnte, was wir wollten. Darüber wie die Kamera oder wir das Bewerkstelligen würden, kümmern wir uns später. Sobald wir also wussten, was wir wollten, konnten wir das wie herausfinden. Dies wiederrum war eine Frage der Technik, Konstruktion und des Ortes der Kamera.

Bedeutet das, Sie haben sogar Dinge erfunden, damit Sie den Film drehen konnten? Wir erfanden eine Kamera. Naja, nicht wirklich erfunden. Wir bastelten uns eine Kamera, eine Digitalkamera mit einem sehr kleinen Gehäuse, damit sie in kleine Löcher wie Fuchshöhlen passte. Und natürlich für die Gräben, damit man alle Menschen involviert sehen konnte. Dazu kommen ein paar exzentrische Anlagen, die wir nur für uns erfunden haben. Wir sind mit der Kamera so viel gereist und haben uns bewegt, doch das Ziel war immer, das es wie aus einem Fluss aussieht. Es sollte nie wirken, als hätten wir die Kamera irgendwie verändert oder bewegt.

Ein Film aus einer Aufnahme, zumindest wirkte es so und gedreht wurde sie aus mehreren Aufnahmen. Doch wie und wie lange bereitet man sich auf so etwas vor? Die Vorbereitungen haben etwa acht Monate gedauert. Das ist für einen solchen grossen Film gar nicht so ungewöhnlich. Man muss die Zeit einfach gut nutzen. Das Ungewöhnliche ist, dass die Schauspieler bereits sehr früh eingebunden wurden. Wir mussten jede einzelne Distanz messen, bevor wir mit dem Bau beginnen konnten. Die Gräben stellten wir zu Beginn auf einem Feld dar, damit wir messen konnten. Sobald wir wussten, wer sich wie vorwärtsbewegt, haben wir die Gräben gebaut. Es war eine sehr intensive Vorbereitungszeit. Die Drehzeit war dann etwa 65 Tage. Wir hatten Tage, da drehten wir 15 Filmminuten, was sehr aussergewöhnlich ist. An anderen Tagen drehten wir keine einzige Minute. Das war einfach die Natur des Films. Wir mussten auf so viele Dinge achten, damit es passte.

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