Tote Mädchen lügen nicht - Staffel 4 (Streaming)

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Drama

Interview Tyler Barnhardt (SPOILER)

Interview: Carmine Carpenito

Tyler Barnhardt: «Das echte Leben läuft nicht immer so ab wie im Fernsehen»

Bewaffnet mit Kaffee in einer Hello Kitty-Tasse steht uns Tyler Barnhardt, der in der Netflix-Serie TOTE MÄDCHEN LÜGEN NICHT Charlie spielt, Rede und Antwort. Er erzählt, was er sich für die LGBTQ-Community und die Welt erhofft und verrät zudem, dass er privat nicht zu den Abschlussball-Anhängern gehört.

Tyler Barnhardt, als Sie mit dem Dreh der 3. Staffel begannen, wussten Sie da schon, dass Sie in der 4. zu einem Hauptcast-Mitglied befördert werden? Gute Frage. Nein, als ich zustimmte bei der 3. Staffel mitzuspielen, war es nur eine Rolle als Co-Star. Im Verlauf der Staffel wachste meine Figur dann. Jedoch wussten wir nicht, ob wir überhaupt eine 4. Staffel haben werden. Ich erinnere mich an den Anruf von Brian Yorkey, dem Schöpfer der Serie. Er sagte zu mir: «Also wir werden eine 4. Staffel machen und wäre es für dich in Ordnung, deine Rolle auf eine Hauptrolle auszuweiten? Deine Figur würde dann so und so aussehen.» Ich war richtig baff an meinem Handy und stimmte natürlich sofort zu. Es war ein richtig guter Anruf und eine tolle Überraschung.

Charlie ist eine solche Frohnatur, die Alex in der aktuellen Staffel richtig guttut. Würden Sie dem zustimmen? Ja, ich denke schon. Die Fanlieblinge waren Zalex, wie sie die beiden nannten, also Zack und Alex. Er liebt nicht beide Charaktere gleich. Doch es stimmt schon. Charlie machte, obwohl er sich selbst noch als bisexuell outen musste, keine Gedanken darum, was andere darüber dachten. Er war so, wie er war und alle akzeptierten ihn genau so. Er bot deswegen eine Art Stütze für Alex. Alex konnte sich damit wirklich verbinden und so entstand eine sehr schöne Beziehung zwischen den beiden.

Durch die verschiedenen Coming Outs können Eltern, die die Show sehen, die Möglichkeit nutzen ihre eigene Reaktion zu überdenken. Das ist gut, oder? Die Formulierung bringt es auf den Punkt. Die Show zeigt beide Seiten der Geschichte. Schon nur in der letzten Woche habe ich so viele private Nachrichten auf Instagram und Twitter erhalten. Ich gebe mein bestes, sie alle zu lesen. Eine Nachricht ist mir explizit in Erinnerung geblieben. Es schrieb mir jemand, dass er die Show gesehen habe und wie meine Figur sein Coming Out als Bisexuell bei seinem Vater hatte. Es gab dieser Person den Anstoss zu den eigenen Eltern zu gehen und um eine Wiederholung zu bitten. Sie outete sich bereits einmal und die Eltern nahmen es nicht gut auf. Es war, als ob diese Person die Show gesehen hat und fand, dass sie etwas Besseres verdient hat. Sie hatten also eine Wiederholung und dieses Mal lief es besser, denn sie schauten sich vorab die Szene an.

Ihre Show hilft also tatsächlich im echten Leben Coming Outs umzusetzen? Klar, das echte Leben ist nicht immer so wie im Fernsehen und im Film. Dennoch gab unsere Show eine Art Vorlage, wie eine gesunde Coming Out-Geschichte aussehen sollte. Ich habe vieler solcher Geschichten erhalten und finde es toll. Ich bin stolz, dass unsere Show in dieser Staffel zwei Jungs zeigen kann, die zusammen sind und niemand denkt sich irgendetwas, ausser, dass sie ein tolles Paar sind. Sie wurden Abschlussball-Könige. Das ist eine unglaubliche Botschaft, die in der Show vermittelt wird.

Denken Sie, dass durch die Normalisierung des Themas in Fernsehshows und Filmen es ebenfalls eine Normalisierung im echten Leben gab? Ja, absolut. Worüber ich extrem stolz bin, ist, dass beim Schreiben und Umsetzen von Charlie ein klares Statement abgegeben wird. Ja, er ist ein bisexueller Quarterback, aber er unterdrückt es nicht und bricht einige Stereotypen. Wie Sie sagten, es gibt heute viele Shows, die es thematisieren. In unserer Show in der 3. Staffel gibt es auch eine Figur, die einen gewalttätigen Vater hat. Sie lebt es selbst in Gewaltakten aus, weil sie es nicht verarbeiten kann. Was ich an Charlie toll finde, ist, dass es nie nur eine Geschichte war. Es gibt diese tolle Szene beim Valentinstags-Tanz. Diego, ebenfalls ein neuer Charakter in der Staffel, spricht mit Jessica. Er sagt dann zu ihr, dass Charlie schwul, bisexuell oder sonst etwas ist. Sie antwortet, wieso er automatisch annehme, dass der einzig nette Junge vom Football-Team schwul sei. Dies wiederum veranlasst Diego zu fragen, weshalb sie automatisch schwul sein als etwas Schlechtes ansehe. Sie sei demnach doch nicht so fortgeschritten und offe

Konnten Sie mit dieser Szene etwas Bestimmtes umsetzen? Es ermöglichte uns die 4. Staffel und die neue Storyline zu bringen. Schwul zu sein ist keine Geschichte, sondern so ist man einfach. Es ist toll, dass man noch andere Dinge sieht. Beispielsweise, dass Charlie gerne backt oder dass er sich um seine Freunde kümmert, sie ihm wichtig sind und er alles tun würde, um sie zu schützen. Das sind die Charakterzüge, die mir an Charlie so gefallen. Die Tatsache, dass er die Menschen als Menschen liebt, ist etwas wunderbares. Ich hoffe, dass wir das irgendwann alle können.

Sind sie der Meinung, dass es ebenfalls im echten Leben bereits diese gewisse Selbstverständlichkeit gibt, bspw. in den Schulen, verglichen mit vor 10-15 Jahren? Absolut, ich stelle dies ebenfalls fest. Wir müssen als Welt noch viel machen, um alle Lebensbereiche und alle Lifestyles komplett zu akzeptieren. Wir sind jedoch schon weiter. Wir sind am weitesten Punkt angelangt, denn wir bisher überhaupt erreichen konnten. Gestern gab es hier in Amerika gerade eine grosse Entscheidung am obersten Gericht für die LGBTQ-Community. Es wurde entschieden, dass niemand von seinem Arbeitsplatz gefeuert werden darf, nur weil er schwul oder bisexuell oder anderes ist. Man fragt sich, wieso es bis 2020 gedauert hat, um eine solche Entscheidung zu treffen. Dies ist sicherlich eine andere Diskussion. Jedoch kann man sagen, es ist nun endlich passiert. Und daher stimmt es durchaus. Jeder Tag zeigt, wenn wir weiter kämpfen für was richtig ist, dann erreichen wir irgendwann die gewünschte Veränderung.

Aus aktuellem Anlass, finden Sie es wichtig, dass Fernsehshows zeigen, wie man Bewegungen aufrufen kann, wie bei dieser einen Episode mit Diego? Stimmt, mit dieser Episode passte das Timing unglaublich zu der heutigen «Black Lives matter»-Bewegung. Wir schrieben und drehten diese Episode vor gut einem Jahr. Es zeigt allerdings, dass die Show-Drehbuchautoren genau wissen, was in der Welt vor sich geht und was wichtig ist. Offensichtlich sind es Probleme, die wir seit Jahrhunderten haben. Es wurde wieder aufgezeigt, durch die kürzlich schlimmen Ereignisse, die in den USA geschahen. Ich denke, es ist nicht ein politisches Problem, sondern ein Richtig oder Falsch-Problem. Es geht um die Frage, auf welche Seite stellt man sich. Ist man der Meinung, diese Leben sind nicht wichtig. Oder ist man der Meinung, schwarze Leben zählen und sie wurden unterdrückt, obwohl sie ebenfalls zählen. Zudem haben sie das Recht mit der gleichen Menschlichkeit behandelt zu werden wie ich. Wenn man es so hinstellt, ist es für mich nicht wirklich etwas Politisches.

Inwiefern sehen Sie den Zusammenhang nun mit Ihrer Show? Ich finde es toll, dass unsere Show dieses Thema miteingebaut hat. Denn viele Menschen vor all den Bewegungen und Widerständen wussten oder verstanden nicht, dass dies immer noch geschieht. Deshalb ist es, wie Sie sagten, gleich wie mit allen anderen Themen wichtig, dass man sie sehen kann. So löst es eine Diskussion aus. Ob wir es perfekt oder richtig umgesetzt haben, vielleicht nicht, darüber kann man immer diskutieren. Doch was mir gefällt, ist, dass die Leute nun darüber sprechen. Das ist es, was wir benötigen. Wir müssten die Leute bilden und darüber sprechen. Sie herausfordern, dass sie darüber nachdenken, dass alle Menschen ein Recht und etwas zu sagen haben.

Bei uns in den deutschsprachigen Ländern kennt man den Abschlussball nicht. Wie stehen Sie zu diesem Thema, haben Sie sich darauf gefreut oder eher nicht? Ich muss ein paar Jahre zurückdenken, es ist eine Weile her. Ich erinnere mich in einem Jahr das Ticket für den Ball spät gekauft zu haben. Ich hatte kein Date. Meine Eltern sagten mir, dass sie bei einem günstigen Anzug helfen würden zu zahlen. Bei einem teureren, müsste ich die Differenz übernehmen. Wieso sollte ich Geld ausgeben, um an einem Dating-Abend teilzunehmen, wo ich noch nicht mal ein Date für habe? Ich ging mit einem Mädchen, mit welchem ich hoffte, sie würde mit mir tanzen und wir würden eine gute Zeit haben. Ich musste als Charlie spielen, dass ich den Abschlussball toll finde (schmunzelt). Man steckt all dieses Geld hinein, weil man es für die wichtigste Nacht seines Lebens hält. Jahre später ist man dann erstaunt, dass man so darüber gedacht hat (lacht). Es war witzig wieder zu meinem 16-Jährigen Ich zurückzukehren. Ich wurde beispielsweise nicht Abschluss-König. Es war lustig in der Show zusammen mit Alex Abschluss-König zu werden (lacht).

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