Superheldenfilme bringen das grosse Geld und füllen die Kinosäle bis zum letzten Platz. Dabei leiden die meisten unter ihnen am Fluch der Repetition. Als Zuschauer ertappt man sich nicht selten dabei, wie man den kompletten Handlungsverlauf schon vor der Halbzeit korrekt erahnt. Dies liegt vor allem daran, dass Hollywood bewusst auf eine bekannte sowie für das Publikum vertraute Formel setzt. Zwar ändern sich die Kulissen, doch das Geschehen wird auf Traditionen erbaut; Aussenseiter kommt zu Superkräften, konfrontiert einen übermächtigen Oberbösewicht, der die ganze Welt bedroht und vom neu erschaffenen Superhelden zur Strecke gebracht werden muss. Anders in THE UMBRELLA ACADEMY, wo die Kräfte keineswegs als Segen interpretiert werden oder zu tosendem Applaus führen.
Von Freud und Leid der Superkräfte
Schon in der ersten Staffel war klar, dass jede Superkraft Vor- und Nachteile mit sich bringt. Allison kann sich zum Beispiel alles wünschen, was sie will - und jeden Menschen in ihrem Leben manipulieren, sogar ihre eigene Familie. Doch was sagt es über sie aus, wenn sie sich wünscht, dass ihre Tochter nachts nicht weint, am Abend keinen Aufstand macht, weil sie nicht zu Bett will oder ihr Kind das Schlafen einer Gutenachtgeschichte vorzieht? In solchen Momenten zeigt sich, dass Allison ihre Superkraft dafür missbraucht, das Muttersein für sie einen Ticken leichter zu machen. Dabei riskiert sie beim Drang nach Perfektion, das Wesen jener Menschen zu verändern, die sie liebt.
Das Unerwartete im Erwarteten
Doch auch bei Five, der in der Zeit hin und her reisen kann, oder den anderen Geschwistern der Umbrella Academy erweist sich die jeweilige Gabe als Grund für ein von Sorgen dominiertes Leben. Obwohl auch in der zweiten Staffel wieder mit viel mit Humor gespielt wird, verzichtet die Serie auf einen gefeierten Superhelden, der nach dem Sieg über das Böse Ruhm und Reichtum erlangt. Stattdessen bekommen wir Figuren zu Gesicht, die leiden und nichts mit sich anzufangen wissen. Eine Superheldengeschichte, die so tiefgründig ist und noch nie gesehene Facetten demonstriert, sieht man nicht oft - und es gibt auch einen guten Grund dafür. Filmfans bitten Hollywood zwar regelmässig um neue Geschichten oder Stile, die ein völlig neues Erlebnis garantieren - doch in manchen Fällen weichen Streifen so sehr von der gewohnten Norm ab, dass sie der Zuschauer weder einordnen kann noch Gefallen an ihnen findet. THE UMBRELLA ACADEMY kann dieses Problem umgehen, indem er den Zuschauer zunächst Glauben lässt, etwas Vertrautes zu sehen - nur um dann mittendrin das Blatt zu wenden und für grosse Augen zu sorgen. Das Unerwartete im Erwarteten führt in diesem Fall zum Erfolgsergebnis.
Unsere Prognose lautet:
Action wird garantiert, Spannung genauso. Wer Superhelden mag, aber mal Lust auf eine etwas andere Geschichte hat, wird THE UMBRELLA ACADEMY jedoch genauso zu schätzen lernen wie wir das tun. Jedes Mitglied der titelgebenden Heldenfamilie berührt mit inneren Konflikten, mit denen sich auch Menschen ohne Superkräften hervorragend identifizieren können - und genau das macht diese liebenswerten Figuren letztlich so menschlich. [Carmine Carpenito]
